Herr Breyer hat sehr viel Zeit investiert und eine Art Rundumschlag veranstaltet, in dem er mir die wissenschaftliche Qualifikation abspricht und mich verschwörungstheoretisch der Braunkohle-Mafia zuordnet. Ganz allgemein möchte ich dazu sagen, dass ich weder für noch gegen eine bestimmte Technologie zur Energieerzeugung bin. Mein Interesse ist es nicht, irgendeine Industrie zu fördern oder zu bekämpfen, sondern eine rationale Antwort auf dem Klimawandel zu geben. Mir geht es ausschließlich darum, Klimapolitik kosteneffizient zu gestalten. Dazu mache ich konstruktive Vorschläge und übe Kritik an Ansätzen, die Klimapolitik betreiben wollen, ohne dabei die Kostenseite zu beachten. Eine wie auch immer geartete Verbindung zu Energieunternehmen oder Lobbygruppen besteht nicht und hat nie bestanden. Im Unterschied dazu ist Herr Breyer eindeutig mit den erneuerbaren Energien verbunden. Als langjähriger Mitarbeiter in einem großen Unternehmen der Solarindustrie und Inhaber einer Professur für Solartechnologie kann man ihn sicher ohne Einschränkung als Lobbyist für eben diese Technologie und die zugehörige Industrie bezeichnen. Ich verstehe seine Polemik deshalb als die Äußerung eines Lobbyisten mit eindeutigen ökonomischen Interessen und nicht als die eines Wissenschaftlers. Dennoch möchte ich zu den einzelnen Vorwürfen, die Herr Breyer erhebt, Stellung beziehen.
1. Frau Kemfert wurde mit ehrverletzenden Argumenten angegriffen.
Das ist schlich gelogen. Ich habe jedenfalls Frau Kemfert nicht in dieser Form angegriffen. Ich habe lediglich geschrieben, dass sie „ungewöhnlich argumentiert“. Was damit gemeint ist, habe ich inzwischen ausführlich begründet (in einem Video, dass auf nurmalkurz.org eingesehen werden kann). Es ist eben ungewöhnlich, wenn eine Ökonomin, die sich hauptberuflich mit Klimapolitik befasst, die Hälfte der Fördermittel für die erneuerbaren Energien (die Marktprämie) einfach unter den Tisch fallen lässt, oder wenn sie Einsparungen durch den Wegfall von Energieimporten gleich zweimal von den Kosten der EE abzieht, um nur zwei Beispiele zu nennen.
2. Ich bin wissenschaftlich nicht qualifiziert
Herr Breyer belegt das damit, dass er meine Publikationen in einschlägigen, vor allem technischen Journalen heranzieht. Tatsächlich ist es so, dass ich dort nicht publiziere. Aus zwei Gründen. Erstens bin ich Ökonom und kein Techniker und zweitens braucht man für eine Kritik der real existierenden deutschen Klimapolitik keine neue Forschung. Dafür reicht solides mikroökonomisches Wissen völlig aus. Meine Forschung publiziere ich in ökonomischen Journalen und zwar in international führenden, wie „Journal of Public Economics“, European Economic Review“, Economic Journal“ oder in interdisziplinären Journalen wie beispielsweise PLOS one. In den Journalen, die Herr Breyer als Ingenieur für wichtig hält, ist Frau Kemfert besser vertreten als ich, in den Journalen, die ich für wichtiger halte, ist es anders herum. Im Übrigen habe ich die wissenschaftliche Qualifikation von Frau Kemfert nie in Zweifel gezogen, sondern lediglich darauf hingewiesen, dass ihre Argumentation an vielen Stellen schwer nachvollziehbar ist (siehe mein Video dazu).
3. Ich mache Fehler
Niemand ist frei von Fehlern und wenn mir welche unterlaufen, bin ich dankbar, wenn mich jemand darauf hinweist – nur so lernt man. Die Hinweise von Herrn Breyer sind dabei allerdings nicht hilfreich. Ein schönes Beispiel: Er behauptet, dass es ein Fehler sei, dass Strom nur 20% unseres Energiebedarfs abdeckt, es seien 35%. Das ist der Anteil der Primärenergie, die für die Stromproduktion aufgewendet wird. Das stimmt, aber meine Zahl bezog sich nicht darauf, sondern auf den Anteil am Endenergieverbrauch – und der beträgt 20%, wie man leicht beim Umweltbundesamt überprüfen kann. Ich halte den Endenergieverbrauch für relevanter und besser geeignet, weil es beim Primärenergieeinsatz immer noch die Wirkungsgrade zu beachten gilt, bei denen es einige Unsicherheiten gibt. Wie hoch ist beispielsweise der Wirkungsgrad bei Solar- und Windenergie? Der wird gegenwärtig mit 100% angesetzt, aber wie verändert er sich, wenn Speicher eingesetzt werden müssen?
Die anderen „Fehler“, die Herr Breyer mir nachzuweisen glaubt, entstehen, weil es „Modelle gibt, die zeigen …“. In der Tat orientiere ich mich bei meinen Analysen nicht an technischen Modellen, sondern an den Daten aus den amtlichen Statistiken, d. h. an den Zuständen der realen Welt. Ich weiß, dass es Modelrechnungen gibt, die zeigen, dass 100% erneuerbare Energien möglich sein sollen. Allerdings benutzen solche Modelle nicht selten sehr anspruchsvolle Voraussetzungen (beispielsweise, dass Deutschland eine Kupferplatte ist und man beliebig Energie versenden kann) und praktisch nie berücksichtigen sie die Kosten (einschließlich der massiven externen Effekte), die damit verbunden sind. Deshalb ist es notwendig, sich nicht an dem zu orientieren, was technisch vielleicht machbar sein könnte, sondern an dem, was rational ist, d. h. kosteneffizient realisierbar.
Wenn man sich an den Daten orientiert, die heute vorliegen, also nach 20 Jahren EEG, dann kann man nur zu einem sehr negativen Ergebnis hinsichtlich der erneuerbaren Energien kommen. Von 2000 bis 2025 werden diese Energien etwa 400 Mrd. Euro kosten plus Kosten für den Netzumbau und den -ausbau, ohne Berücksichtigung der externen Kosten durch insbesondere die Windkraft. Was hat es gebracht? Im Energiesektor jedenfalls nicht viel. Von 2000 bis 2017 sind die Emissionen dort nur um 32 Mio. t gefallen. Berücksichtigt sind dabei der Anstieg des Stromverbrauches und die Energieeffizienzsteigerung bei den konventionellen Kraftwerken. Das bedeutet, dass in 2017 die Vermeidungskosten bei den erneuerbaren Energien bei über 700 Euro pro Tonne lagen. Unterstellt man, dass die ausgefallene Atomenergie zu 100% von den erneuerbaren substituiert worden ist, dann sind es immer noch etwa 300 Euro pro Tonne. Das ist jenseits von Gut und Böse. Wir erkaufen das alles damit, dass wir die höchsten Strompreise in Europa zahlen, weltweit liegen wir ebenfalls ganz weit vorne. Wenn ich Solar-Lobbyist wäre wie Herr Breyer, wäre ich darüber ziemlich verzweifelt. Erst recht, wenn ich feststellte, dass im europäischen Emissionshandel in der halben Zeit 16-mal so viel CO2 eingespart worden ist, zu Kosten von (2017) 7 Euro die Tonne. Allerdings würde ich das nicht zum Anlass nehmen, einen Kollegen, der sich für den EU-ETS einsetzt, als „Braunkohle-Sympathisant“ zu diffamieren.
Nur zur Einordnung: Die Solarenergie hatte 2018 einen Anteil am Primärenergieverbrauch von etwas über 1 Prozent, beim Wind waren es knapp 3 Prozent. Der Anteil der erneuerbaren (aller erneuerbaren einschließlich Bio) an der Stromproduktion beträgt 40% des Endverbrauches. Selbst wenn man Exporte vernachlässigt, bleibt es dabei, dass der Anteil der erneuerbaren am Endenergieverbrauch bei maximal 8 Prozent liegt – tatsächlich liegt er darunter. Die Fantasien von Herrn Fell und Herrn Breyer, dass es wünschenswert wäre 100% erneuerbare Energien zu haben, sind angesichts dieser Zahlen und der Kosten, die dieser Mini Beitrag bisher verursacht hat, kaum nachzuvollziehen.
4. Ich bin Braukohle-Sympathisant
Wenn es um rationale Klimapolitik geht, sollte man Verschwörungstheorien vermeiden und den Gebrauch von „Feindbildern“ tunlichst einstellen. Beides hilft nicht und die Sache ist zu wichtig, als dass man sich mit kontraproduktiven Spielchen befassen könnte anstatt sich um das eigentliche Problem zu kümmern. Es gibt kein „gutes“ und auch kein „böses“ CO2. Herr Breyer scheint zu glauben, dass CO2, das bei der Verbrennung von Braunkohle entsteht böser ist als das, was bei der Produktion von Solaranlagen entsteht. Das ist falsch. Es geht bei der Klimapolitik darum, CO2 dort einzusparen, wo die Einsparung zu den geringsten Kosten möglich ist und nicht darum, dort zu sparen, wo einem der Brennstoff nicht gefällt. Ich bin kein Brennstoff-Sympathisant, sondern ein Verfechter einer rationalen, d. h. kosteneffizienten Klimapolitik. Eine solche muss technologieoffen sein und darf sich nicht auf eine Technologie festlegen. Dass das notwendig ist, sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein – jedenfalls für Wissenschaftler. Für Solar-Lobbyisten gilt das natürlich nicht.